Jusos Lichtenberg

„What does it mean to be Black in the US” – Zusammenfassung

Am Samstag, den 07. Juni 2020 durften wir Talaya Moore zu uns in die Sitzung einladen, die uns etwas von ihren Erfahrungen darüber zu Teil werden ließ, was es bedeutet, eine schwarze Frau in den USA zu sein. Dies war unsere erste durchgängig fremdsprachige Sitzung und daher folgt hier eine Zusammenfassung der Sitzung.

Talaya selbst lebt im Stadtteil Harlem in New York City, arbeitet bei einer Organisation, die sich um obdachlose Männer* kümmert und ist außerdem Influencerin.
Sie lebte auch eine Zeit in Alabama und erklärt gleich zu Beginn, wie verschieden die Erfahrungen mit Rassismus in diesen zwei Orten für sie waren und betont, dass Rassimus früh beginnt. Bereits in der Grundschule verlor sie Freundschaften, weil manche Eltern ihre Kinder nicht mit schwarzen Menschen befreundet sein ließen.
Auch spricht Talaya darüber, dass sich Rassimus durch sämtliche Bereiche zieht, nicht nur Polizeigewalt oder andere Übergriffe sind Teil dessen was People of Color (PoC) erleben, auch im Gesundheitssystem erfahren sie massive Benachteiligung. Farbige Frauen werden von Ärzten weggeschickt, wenn sie akute Anliegen haben, sie sterben daher auch häufiger an akuten Krankheiten, die vorher nicht diagnostiziert wurden.
Talaya spricht auch die rassistisch motivierten Morde an, wie an Brennona Tyler, Sandra Bland oder George Floyd – besonders Letzterer konnte wohl vielen die Augen öffnen, so wirkt es zumindest in den Medien. Talaya sagt dazu „Now everyone is seeing it, but I’ve been seeing it ever since.“ (Nun sehen es alle, aber ich habe es schon immer gesehen.)

Die erste Frage an Talaya: Warum spielt Rassismus noch immer so eine große Rolle in der Welt?

Talaya nennt viele Gründe, jedoch glaubt sie vordergründig, dass Rassismus die Wirtschaft am Laufen hält und dass damit die Konsummentalität gefördert wird. Auch erklärt sie, dass viele Weiße sich durch Obama bedroht fühlten, sie hatten während seiner Präsidentschaft Angst ihrer Privilegien beraubt zu werden. Die Vorurteile gegenüber PoC beförderten diese Ängste und damit den Rassismus stark. Zusätzlich dazu herrscht eine hohe Politikverdrossenheit und die meisten Menschen denken, dass ihre Stimme keinen Unterschied machen würde, so haben es rassistische Kräfte einfacher sich bei Wahlen durchzusetzen.

Die nächste Frage lautete: Wie nehmen die Menschen derzeit die Polizei wahr?

Talaya erzählt uns, dass aktuell viel Unzufriedenheit gegenüber der Polizei besteht und dass viele Menschen, insbesondere PoC, schlechte Erfahrungen mit Polizist*innen gemacht haben.

Jedoch gibt es auch dort zwei Seiten. Sie erläutert, dass viele Polizeibeamt*innen ihre Macht ausnutzen und bezieht sich auf Mobber in der Schule. Die Uniform wird dann zu einem Machtsymbol und Polizeibeamt*innen erwarten automatisch Respekt, sie nutzen die eigene Position aus, um Angst zu verbreiten, Unruhe zu stiften oder gar Gewalt anzuwenden. Auf der anderen Seite stehen jene, die gern einen Unterschied machen wollen, die trotz ihrer Arbeit bei der Polizei Demonstrant*innen unterstützen, die ihre Position sinnvoll nutzen, viele davon gehören selbst zu etwaigen Minderheiten. Des Weiteren beschreibt Talaya, dass man als schwarzer Mensch stets als kriminell eingestuft wird.

Auch die Strafen die PoC bevorstehen, wenn sie verurteilt werden sind nicht gleich dem Strafmaß, dass bei weißen Menschen angesetzt wird, sie fasst es gut zusammen mit dem Satz „Mass incarceration is just another way to say slavery.“ (Masseneinkerkerung ist auch nur eine andere Art, um Sklaverei zu sagen.) Zudem blicken schwarze Menschen deutlich öfter einer Gefängnisstrafe entgegen, als weiße Menschen, was nach einem perfiden System aussieht, sie ihrer politischen Teilhabe zu berauben, denn wenn man aus dem Gefängnis frei kommt verliert man in den USA sein Recht zu wählen.

Daraufhin ging es um Hoffnung: Wie hoffnungsvoll bist du, dass die aktuelle Situation zu politischen Veränderungen und gleichen Rechten führt?

Talaya sagt uns offen, dass sie sich diesbezüglich nicht ganz sicher ist. Viele PoC sterben allein wegen des Systems (siehe Gesundheitswesen, Justiz und Polizei etc.) das vom starken strukturellen Rassismus geprägt ist. So sterben auch verhältnismäßig viel mehr PoC an Covid-19.

Sie sagt „…everything you want to archieve is about consistency.” (…alles was man erreichen möchte kommt durch Beständigkeit.) und erklärt, dass es sehr wichtig ist, stetig weiter zu machen. Es muss nicht zwingend der Protest sein, aber immer wieder auf das Thema aufmerksam machen, sei es medial oder einfach nur indem man offen und schonungslos drüber redet, dass man auch Familie und Freunde zur Verantwortung zieht, wenn diese rassistisches Verhalten an den Tag legen, oder keine Firmen unterstützen, die das Leben von schwarzen Menschen nicht unterstützen. Diese Art von Beständigkeit ist es, die letztlich eine Veränderung bewirken kann.

„2020 is the year of Karma“

„2020 is the year of Karma“ meint sie und erläutert, dass sich weiße Menschen überall, damit auseinandersetzen müssen, dass unser System strukturell PoC benachteiligt und dass wir privilegierter sind. Es wird die ganze Welt brauchen, um eine Veränderung hervorzurufen, aber sie ist hoffnungsvoll, dass Änderungen erfolgen werden.

Als nächstes ging es darum, welche Rolle junge Menschen beim Kampf gegen Rassismus einnehmen.

Talaya meint, dass unsere Generation bereits einen Unterschied macht, wenn es darum geht, sich mit dem Thema aktiv auseinander zu setzen. Es gilt viele Privilegien zu hinterfragen und sich aktiv einzusetzen. Hier erzählt sie von den Protesten in den USA, bei denen sich oft weiße junge Menschen vor die schwarzen Demonstrant*innen stellen, damit die Polizei keine Gewalt gegen sie anwendet.

Sie erklärt aber auch, dass wir vor allem Kinder immer weiter und früh genug über Rassismus aufklären müssen. Sie beschreibt, dass auch in der Schule die Narrative geändert werden muss, dass Rassismus auch aktiv benannt werden muss und man auch im Geschichtsunterricht Dinge wie die Kolonialisierung nicht nur in einer kleinen Anzahl an Unterrichtsstunden behandeln sollte. Sie spricht davon, dass man vor Rassismus nicht schützen kann, aber dass Bildung ein wichtiger Schlüssel ist.

Zusätzlich meint Talaya „Love conquers all“ und erzählt mit einem Lächeln, dass sich PoC und Weiße schließlich auch untereinander verlieben und Kinder bekommen, bis sich allein dadurch nicht mehr in Weiße und Nicht-Weiße unterteilen lässt.

Wir tauchen tiefer in die amerikanische Politik ein und wollen von Talaya wissen, welchen Einfluss die aktuellen Geschehnisse auf die Wahlen haben werden und wie sie zu Demokrat*innen steht.

Talaya macht deutlich, dass es die Menschen für den demokratischen Präsidentschaftskandidaten Biden stimmen sollen. Er mag nicht perfekt sein, aber noch weitere Jahre mit Trump könnten das Schlimmste hervorbringen. Sie bewertet es kritisch, dass viele Demokrat*innen trotzdem für Sanders stimmen möchten, obwohl er keinen Chance haben wird – sie betont, dass es wichtig ist eine Seite zu wählen, aber in dem Fall ausschließlich zwischen den verbleibenden Kandidaturen.

Darauffolgend werden Intersektionalität und die Verfassung thematisiert.

Frauen der Black Community erleben große Benachteiligung, auf mehreren Ebenen, zum einen, weil sie Frauen sind, zum anderen, weil sie schwarz sind. Auch Rassismus durch weiße Frauen erleben sie all zu oft. Talaya berichtet, dass viele feministische Bewegungen durch schwarze Frauen initiiert wurden und sie dann einen Take Over durch weiße Frauen erlebten, was die jeweiligen Bewegungen wiederum nicht mehr inklusiv machte. Es erfolgt zudem eine starke Sexualisierung schwarzer Frauen.

Talaya erklärt, dass der Körper einer schwarzen Frau mittlerweile als Schönheitsideal gilt, jedoch nicht bei schwarzen Frauen selbst, sondern viel mehr bei hellhäutigen Frauen – so wird das Bild zumindest in den Massenmedien geprägt. Wie bereits erwäht ist Talaya auch als Influencerin tätig. Jedoch hat sie die Tätigkeit derzeit pausiert, denn was sie uns während der Sitzung erzählt, zeigt ganz klar, dass auch in modernen sozialen Netzwerken Rassismus keine Pause macht. Leicht bekleidete Frauen, oder Silhouetten gänzlich nackte Körper, „tasteful Nudes“ wie man sagt, dies ist kein seltener Anblick auf Plattformen wie Instagram – doch oft sieht man nur hellhäutige Frauen. Nicht spezifisch nur Weiße, aber auch bei People of Color sind hier häufig eher hellere Hauttöne vertreten. Auch Talaya hat solche Fotos hochgeladen, aber anders als bei anderen Frauen, wurden ihre Fotos von der Seite entfernt. Sie wurde aufgrund ihrer Hautfarbe zensiert.

Zur Verfassung äußert sich Talaya dahingehend, dass aufgrund des Umstands, dass die Verfassung von weißen Männern geschrieben wurde, Frauen und besonders PoC darin keine ausreichende Beachtung finden. Jedoch muss das nicht so bleiben, denn auch eine Verfassung kann geändert werden. Sie berichtet zudem, dass besonders auf dem Arbeitsmarkt schwarze Frauen große Benachteiligung erfahren – sie erzählt dazu von der Zeit nach dem College. Ihre weißen Freunde wurden direkt nach dem Abschluss angestellt, sie hatten Kontakte und Privilegien. Mit demselben Abschluss und großer Anstrengung hat sie selbst erst einige Jahre später eine Festanstellung erhalten.

Mit Blick auf die Verfassung stellt sich auch die Frage, ob es Gesetze gibt die Diskriminierung fördern.

Talaya berichtete vor allem vom Alltag für schwarze Menschen in den USA. Sie beschreibt, dass für PoC andere Gesetze zu gelten scheinen. Als schwarze Person wird man häufiger durch die Polizei angehalten, gründlicher durchsucht, allein im Supermarkt wird man öfter kontrolliert bevor man den Laden verlässt. Es scheint als würde man unterbewusst stetig angeklagt, etwas verbrochen zu haben, oder als hätte man automatisch ein größeres Potential kriminell zu werden.

Des Weiteren wurden Fragen zum HipHop und der Musikszene gestellt.

Die Black Community war schon immer stark vertreten im HipHop-Genre, doch was viele nicht bedenken, so Talaya, die meiste Musik, die heute auch die weiße Kultur maßgeblich beeinflusst, stammt von schwarzen Menschen. Sie erklärt, wie durch Blues und R’n’B Popmusik geprägt wurde, wie auch Jazz aus der Black Community stammte, bis sich weiße Menschen dies aneigneten, ohne jemals Anerkennung dafür zu leisten. Talaya kritisiert, dass auch heute weiße Menschen in der Musikindustrie die gut bezahlten Posten bekleiden, obwohl viele Stücke das Werk schwarzer Menschen sind. Zudem erzählt sie, dass HipHop-Songs stets eine Bewegung unterstützen und die Musik ein Weg geworden ist, eine Meinung auszudrücken, eine Art Sprachrohr für die Community sozusagen.

Als wir über Aneignung sprechen, kommen wir an der Frage der Gentrifizierung des Stadtteils Harlem nicht vorbei.
Harlem war lange Zeit der Ort für die Black Community, sie etablierten sich und ihre Kultur dort, bis zur Gentrifizierung. Weiße Menschen zogen nach und nach aus der Stadt Richtung Harlem, aber anstatt diesen Stadtteil und die Kultur der dort jahrelang ansässigen Menschen anzunehmen und wertzuschätzen, veränderten sie diese, so wie es ihnen passte.
Talaya erklärt, dass sie es toll gefunden hätte, wenn die Menschen die nach Harlem gezogen sind, versucht hätten an der Kultur der Black Community teilzuhaben, sich ernsthaft damit auseinandergesetzt hätten um über die Kultur zu lernen und Anerkennung zu geben. Stattdessen wurde die Kultur verdrängt und so auch die Black Community selbst.

Uns war auch wichtig zu erfahren, wie die Atmosphäre in der Black Community nach dem Mord an George Floyd ist.

Talaya erläutert, dass PoC weniger Angst haben jetzt laut zu werden und ihre Stimmen zu nutzen, da grade die ganze Welt auf diesen Fall und die Entwicklungen vor Ort blickt. Die Proteste sind außerdem groß und vielzählig und erzeugen so Sichtbarkeit.

Und was können wir als Weiße tun, um zu helfen?

Viele Dinge hat Talaya im Verlauf unserer Sitzung bereits angesprochen, beispielsweise bei den Protesten, wo Weiße ihre Privilegien nutzen, um Schwarze zu schützen. Mehr solche Strategien entwickeln, gleichzeitig auch taktvoller mit den Menschen umgehen, Alltagsrassismus erkennen und ansprechen, sich und andere bilden. Firmen und Unternehmen, die von Schwarzen geführt werden mehr unterstützen und bekannter machen und uns darüber im Klaren sein, dass weiße Menschen diesen Zustand hervorgerufen haben und diese daher in der Verantwortung stehen, dies zum Besseren zu verändern.

Zum Ende bedankt sich Talaya, bei Anton für die Einladung und bei uns für das Interesse. Sie sagt, dass sie sich freut, dass auch in Deutschland das Interesse besteht PoC zuzuhören und eine Plattform zu geben, um über Rassismus zu sprechen.

Zu guter Letzt ein paar Worte von uns:

Talaya hat uns noch viel umfassendere Einblicke gegeben, wir haben hier lediglich versucht die Schlüsselpunkte zusammenzubringen. Uns ist vermutlich allen klar, dass eine Online-Veranstaltung, ein Share-Pic, ein paar Threads von PoC in den sozialen Medien teilen noch nicht das Ende von Rassismus einläuten wird.

Es hilft jedoch dabei, Aufmerksamkeit zu generieren, das Thema immer wieder mal aufzubringen und es so den Menschen, die sich dieser Debatte entziehen wollen schwerer zu machen. Vielen ist es unangenehm darüber zu reden, aber genau das muss aufhören.
Selbst ins kalte Wasser zu springen und andere mitzuziehen ist wichtig, denn grade bei einem Thema dieser Tragweite darf sich keiner raushalten, nur weil es grade unangenehm ist.

Talaya sagt, so lang wir versuchen, allein in unserem Umfeld Rassismus aktiv zu thematisieren und rassistisches Verhalten nicht durchgehen zu lassen, sorgen wir dafür, dass ein neues Bewusstsein entsteht. Daher möchten wir nur noch mal wiederholen, dass wir alle dran bleiben sollten, Beständigkeit eben, wie Talaya es angesprochen hat.

Wir bedanken uns für das große Interesse und die rege Teilnahme und hoffen, dass die Veranstaltung unser aller Horizont weiten konnte.

Junge Sozialisten in der SPD