Jusos Lichtenberg

Stadtentwicklung for the many, not the few – Leitlinien einer sozial nachhaltigen Stadtentwicklungspolitik für Lichtenberg zeichnen

Die SPD Lichtenberg sieht eine große Verantwortung in der Entwicklung unseres Bezirks zu einem familienfreundlichen Wohn- und Dienstleistungsstandort. Wir möchten die Gestaltung dabei mit einer klar erkennbaren, sozial nachhaltigen Linie für alle Bürger*innen der Stadt nutzbar umsetzen. Die Stadtentwicklungspolitik, hinter der wir stehen, wollen wir auch im Bezirk sichtbar machen.

Berlin und damit verbunden Lichtenberg hat sich wie kaum eine andere europäische Metropole gewandelt. Viele Brachen, die nach dem Mauerfall oftmals im Osten der Stadt und entlang der Spree frei lagen, konnten inzwischen genutzt werden, um den lange Zeit klammen Haushalt der Hauptstadt und ihr internationales Ansehen zu regenerieren. So wuchs die Stadt über die vergangenen Jahrzehnte zu einem der beliebtesten Tourismusziele Europas. Nicht unwesentlich dazu beigetragen haben die vielfältigen subkulturellen Projekte und Initiativen aller Bürger*innen, die von den Bewohner*innen auf brachliegenden oder ungenutzten Flächen aufgebaut wurden und damit für alle nutzbar machten, noch bevor die Verwaltung ihnen ihre eigentliche Bestimmung nach den Wendewirren zuweisen konnte. Während es bis vor einigen Jahren noch nachvollziehbar war, finanzstarke Investoren für das als „arm aber sexy“ geltende Berlin zu werben, wurden die selbstverwalteten Projekte immer weiter an den Stadtrand gedrängt und die Berlin charismatisch machende Vielfalt gerät immer mehr in Bedrängnis.

Neben der Verdrängung und dem Verschwinden der Projekte, die Berlin international bekannt gemacht haben, steht der stark wachsende Bedarf an Wohnraum. Um diesen zur Verfügung zu stellen, dürfen aber nicht nur Lücken schnell gestopft werden. Wir müssen Gebiete schaffen, die bis weit in die Zukunft Bestand haben. Wir erkennen, dass der zeitliche Druck nicht der alles bestimmende Faktor sein darf.

Daher stellen wir die folgenden Leitlinien für unser politisches Handeln auf. Diese Punkte sollen für konkrete Standorte in Lichtenberg ausgearbeitet und in unserer politischen Arbeit beworben werden, um sie mit den nötigen Mehrheiten umsetzen zu können.

Konfliktlinien zwischen Tourismus, Gewerbe und Kultur auflösen

Wir wollen, dass Lichtenberg weiterhin ein beliebter Ort zum Erleben, Verweilen und Entspannen bleibt. Anziehungsmagnete sollen aber keine weiteren Großprojekte, sondern die Mischung aus vielen, kleineren Kiezoriginalen sein. Berlin hat in und um Lichtenberg genügend der großen sogenannten Tourismusleuchttürme (z.B. East Side Gallery, Gärten der Welt, Tierpark und in Zukunft Coral World), der Bedarf an Attraktionen ist gesättigt. Mit kiezbezogenen Kultur- und Tourismusangeboten ermöglichen wir eine Teilhabe vieler, denn: Ohne teure Eintrittspreise, deren Gewinne meist in Großunternehmen oder die Stadtkasse fließen, wird auch für finanziell schwächere Tourist*innen das Erlebnisangebot unseres Bezirkes breiter, während parallel Kleinunternehmen und lokale Kunst- und Kulturtreibende profitieren.

Umgesetzt haben wir diese Leitlinie bereits in der Herzbergstraße, wo im Gewerbegebiet Verdrängung durch Kunstgroßausstellungen unterbunden wird und mit unserem geplanten Kunst- und Kulturhaus in Hohenschönhausen werden wir eine alternative Möglichkeit schaffen, Kunst für alle dort umzusetzen, wo Kulturinvestition sozial verträglich sinnvoll umsetzbar ist.

Außer für Kunstschaffende ist Lichtenberg auch Zufluchtsort für Musiker*innen und Clubbetreiber*innen geworden, zum Beispiel im Club Polygon oder im Berliner Rockhaus. Hier gilt ebenso, dass Orte, die eine vielfältige Kultur leben und Rückzugsräume für Personen, die Schutz vor Diskriminierung benötigen, darstellen, geschützt werden. Projekte, die feministische und inklusive Konzepte vorantragen, dürfen nicht verschwinden, so dass wir uns dafür einsetzen wollen, Orte zu finden, wo sie ohne Konflikte zur Nachbarschaft weiterhin Freiräume bleiben können.

Bebauung von Freiflächen und Innenhöfen

Wir wollen, dass in Lichtenberg die Bebauung von Freiflächen und Innenhöfen mit bestimmten Bedingungen verbunden wird. Leitlinie soll dabei der Erhalt oder die Schaffung von Begegnungszonen sein. Gerade in schon dicht besiedelten Gebieten ist ein alleiniger Fokus auf Wohnungen nicht zielführend, um eine gute Lebensqualität der Bewohner*innen zu erhalten. Die Priorität sollte dort im Bau von sozialer Infrastruktur oder Kulturangeboten liegen. Wenn Innenhöfe bebaut werden, nehmen wir den Leuten eine Möglichkeit sich unvoreingenommen begegnen zu können – Nachbarschaften finden im Stadtraum häufig über Straßenecken und Wohngesellschaften hinaus statt. Bei Bebauung müssen wir dafür Ersatz schaffen, indem bspw. in den unteren Etagen, eine Jugendfreizeiteinrichtung, eine Kita, ein Stadtteilzentrum oder andere Räume für bürgerliches Engagement geschaffen werden. Zudem muss die Begrünung von Außenfassaden und Dächern verpflichtend werden, damit der Klimakrise einhalten geboten werden kann und weniger Grün durch Bebauung verschwindet.

Berliner Mieten

Unser Wohnraum muss bezahlbar bleiben. Der Mietendeckel ist eines der richtigen Instrumente, um das zu erreichen. Als SPD Lichtenberg wollen wir, dass die Unterstützung des Mietendeckels nicht nur Lippenbekenntnis bleibt, sondern diesen vor allem in unserem Bezirk bekanntmachen, beispielsweise durch darauf bezogene Verteil- oder Steckaktionen.

In der Diskussion zur Enteignung von Immobilien schließen wir die Möglichkeit zur Anwendung von Artikel 14 bzw. Artikel 15 nicht aus. Dafür in Frage kommen Immobilien dort, wo ein möglicherweise erfolgreiches Verfahren in Kosten und Zeit im Verhältnis zur gewonnen Mietstabilisierung steht.

Vernetzung genossenschaftlicher Initiativen und Wohnprojekte vor Ort

Wir wollen, dass alternative Wohnprojekte und -konzepte, wie zum Beispiel der Zusammenschluss eines Kollektivs, das ein Mietshaus als Eigentümerkollektiv übernimmt, gefördert werden und nicht als schlechtere Investoren abgetan werden. Hierfür bieten sich rechtlich verschiedene Optionen wie etwa die Gründung von Genossenschaften an, welche wir den Möglichkeiten nach ebenfalls fördern wollen. Um einen weiteren Blick auf moderne, soziale und ökologische Formen des Zusammen-wohnens und Zusammen-wirtschaftens zu gewinnen, müssen wir vermehrt in den Austausch mit bereits bestehenden Projekten in Lichtenberg gehen, wie beispielsweise La Vida Verde, Hausprojekt Wönnichstr. 103 oder unterstützenden Organisationen wie dem Mietshäuser Syndikat.

Bürger*innenbeteiligung

Die bisherigen Bestimmungen zu Bürger*innenbeteiligung bei großen Bauprojekten und der Erstellung von Rahmenplänen sind gut, aber keinesfalls ausreichend. Gerade in langgezogenen Planungsvorhaben zeigt sich, dass in einer Stadt, die sich parallel zu ihrer Bevölkerungsstruktur ebenso rasant verändert, keine Legitimation mehr aus ggf. lang zurückliegenden Beteiligungsverfahren gewonnen werden kann. Dasselbe gilt bei besonders komplexen Bauvorhaben, in denen bei einer hohen Anzahl an Einbringungen durch die Bürger*innen im Verhältnis viele nicht umgesetzt werden, da kein Expertenwissen, in Belangen dessen was baulich oder planerisch überhaupt umgesetzt werden kann, vorausgesetzt werden kann. Der daraus entstehende Eindruck der Bevölkerung, sie könnten keinen Einfluss nehmen, muss ernst genommen werden. Auch außerhalb von vorgeschriebenen Beteiligungsverfahren oder Wahlkampfzeiten müssen wir uns als Ansprechpartner*innen für die Belange von direkt und indirekt Betroffenen oder für Ideengeber*innen sehen. Dazu können wir nicht weiter abwarten, bis Bürger*innen sich auf uns zu bewegen, sondern aktiv durch angemessene Veranstaltungen den Dialog über Bauvorhaben suchen, die Kontakt zwischen Expert*innen und Bürger*innen herstellen und den Dialog zwischen den Beteiligten moderieren.

Dies kann durch Veranstaltungen wie Runden Tischen, Fraktion vor Ort oder Fishbowl-Diskussionen geführt werden und ist entsprechend im Vorfeld mit Steck- und Straßenaktionen zu bewerben. Wenn wir Veranstaltungen der verschiedenen Initiativen zu Bauvorhaben besuchen, vergrößert der Besuch dieser Veranstaltungen durch Genoss*innen die Anerkennung, die wir ihren Problemen beimessen. In parteifremden und überparteilichen Strukturen mit zu diskutieren, erweitert unseren Zugang zu möglichen Problematiken oder von Bürger*innen als schwierig empfundenen Situationen. Aus den Evaluationen der Dialogveranstaltungen können so Punkte für unsere parteipolitische Arbeit gewonnen werden, die über ein Kredo „Bauen, Bauen, Bauen“ hinaus gehen.

Junge Sozialisten in der SPD