Zwischenruf
Hilfe, die Stempelkarte für Abtreibungen kommt
oder
Der Uterus sagt: Fickt euch!*
Das vergangene Jahr war kein gutes für die Stärkung der Frauenrechte. Der Versuch, das im § 219a StGB verankerte Informationsverbot zu Schwangerschaftsabbrüchen für Ärzt*innen gänzlich abzuschaffen, schlug fehl. Geändert wurde einzig, dass Ärztinnen und Ärzte auf ihrer Website diese Leistung auflisten dürfen – mehr nicht. Das bedeutet also, dass sich auch weiterhin Frauen und Mädchen in Notsituationen nicht neutral und medizinisch fundiert über die Möglichkeit einer Abtreibung informieren können.
„Kondome, Spirale, Linksradikale!“*
Die Argumentation, mit einem Ende des sogenannten Werbeverbots würde einer „Abtreibungsindustrie“ Tür und Tor geöffnet, ist lachhaft: Die Abtreibungsgegner*innen glauben doch wohl selbst nicht, dass es Abtreibungen künftig im Sonderangebot – zwei zum Preis von einer – geben wird. Für jede Frau ist der Gedanke eine Abtreibung durchzuführen eine emotionale Achterbahnfahrt. Deshalb braucht es gerade dann sachliche Informationen von Mediziner*innen.
Man hätte besser verhüten sollen, schallt es von der Gegenseite. Doch selbst bei korrekter Einnahme der Pille gibt sie keinen hundertprozentigen Schutz vor einer Schwangerschaft. Einfach mal die Packungsbeilage lesen. Und für fundamentale Christ*innen stellt selbst eine Vergewaltigung keinen Grund für eine Abtreibung dar. Die Frauen könnten das Kind ja zumindest zur Welt bringen und dann irgendeine Hilfe annehmen.
„Eure Kinder werden so wie wir, eure Kinder werden alle queer!“*
In Deutschland ist noch heute jede Abtreibung per Gesetz verboten, selbst nach einer Vergewaltigung. Sie bleibt nur bis zur 12. Schwangerschaftswoche oder wenn das Wohl der Mutter gefährdet wäre straffrei. Sie ist also per Gesetz immer noch rechtswidrig. Im Jahr 2019 in Deutschland. Das müssen wir ändern und Paragraph 218 ebenfalls streichen.
Und selbst wenn junge Frauen den Weg zur gesetzlich vorgeschriebenen Beratung gefunden und sich drei Tage Bedenkzeit genommen haben, liegt meist noch ein weiter Weg vor ihnen, im wahrsten Sinne des Wortes. Denn die sogenannten „Lebensschützer*innen“ terrorisieren immer öfter Ärzt*innen, die Abbrüche vornehmen. In ganz Niederbayern gibt es laut der Tageszeitung taz nur noch einen einzigen Arzt, der diesen Eingriff durchführt. Und der ist 70 und in Rente und macht es, weil es sonst niemand tut. In katholisch geprägten Regionen findet sich teilweise keine durchführende Klinik im Umkreis mehrerer Kilometer, da diese allesamt kirchlich geführt sind. Die Antwort darauf sollte sein: Alle Kliniken die im Rahmen der Grundversorgung staatliche Zuschüsse bekommen, müssen verpflichtet werden, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Denn es darf nicht der Wohnort entscheiden, ob ein medizinischer Eingriff als Teil der Daseinsvorsorge des Staates erreichbar ist.
„Hätt‘ Maria abgetrieben, wärt‘ ihr uns erspart geblieben!“*
Denn wir leben in einem säkulären Staat. Dass einige lautstarke Fundamentalist*innen bestimmen, was mit einem Zellbündel im Körper einer Frau passiert, ist der Rückschritt von allem, für was die Frauenbewegung in den letzten Jahrzehnten gekämpft hat. Und wenn pathetisch von „Kindesmord“ und die „Würde des Menschen“ geredet wird, stimmt das sowohl medizinisch als auch rechtlich nicht. Denn das Grundgesetz gilt zuallererst für die Frau, dann für einen Fötus. Oder um mit der Bibel zu argumentieren: „Da machte Gott der Herr den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen.“ (1. Mose 2,7). Da steht also drin, dass der Mensch erst Mensch sei, wenn er seinen ersten Atemzug macht. Aber als fundamentale*r Christ*in lässt man sich von Fakten natürlich nicht beeindrucken.
Es geht um die sexuelle Selbstbestimmung, der Slogan „Mein Körper – meine Entscheidung“ könnte treffender nicht sein. Denn ich bestimme für mich, und du bestimmst für dich. Aber du bestimmst niemals über mich!
Und zu guter Letzt: Wenn Frauen mit ihrer Lebenssituation durch eine mögliche Geburt und deren Folgen überfordert waren, gab es in der Vergangenheit schon immer Abtreibungen. Nur früher fanden sie in Hinterhöfen mit Kleiderbügeln statt. Es ist unsere Entscheidung, ob wir Frauen in solchen Situationen kriminalisieren und drangsalieren oder ihnen Informationen und medizinische Hilfe bieten. Und ob wir den Ärztinnen und Ärzten als die Spezialist*innen ihres Faches weiterhin nicht zutrauen, dass sie Informationen zu einem medizinischen Eingriff geben können.
Der Paragraph 129a gehört komplett gestrichen. Besser heute als morgen. Und das ist erst der Anfang!
*) Slogans der ProChoice-Bewegung
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